Neuromodulation bei PTBS

Die posttraumatische Belastungsstörung, auftretend nach schwer traumatisierenden Ereignissen, ist charakterisiert durch anhaltend wiederkehrende bedrohliche Erinnerungen, Vermeidungsverhalten und dauerhafter Übererregtheit. Häufig müssen zusätzlich Depression, Angst und Suizidalität behandelt werden [1]. PTBS ist eine chronische Erkrankung und tritt in der Allgemeinbevölkerung mit einer Prävalenz von 7 % (!) auf und ist bei Kriegsteilnehmern (Veteranen) bei 20% zu finden.

Bisheriges (klassisches/konventionelles) Vorgehen

  • Medikamente: SSRI (Paroxetin, Sertralin) und NSRI (Venlafaxin). Nachteil: nur ein Teil der Patienten spricht darauf an, auch Responder behalten einen Großteil der Symptome [2, 3].
  • Traumatherapie, hier v.a. Expositionstherapie [4]

Man kann also festhalten, dass Pharmakotherapie und Psychotherapie nicht immer Wirkung zeigt und auch bei Wirkung Symptome bestehen bleiben bei PTBS [5], – bei etwa 30% der Behandelten [6].

Unser Behandlungskonzept

Wie bei anderen psychischen Störungsbildern kombinieren wir auch bei Traumafolge­störungen drei bewährte neuromodulatorische Verfahren, die bereits allein eingesetzt zu deutlichen Besserungen führen. Wir nutzen synergistische Effekte, d.h. die Wirksamkeit des einen Verfahrens, verbessert und erhält die Effekte der anderen Verfahren aufrecht. Damit verbunden sind beschleunigte, intensivierte und nachhaltige Wirkung.  Selbst wenn, wovon nicht auszugehen ist, eines der Verfahren nicht „anschlagen“ sollte, sind da immer noch die beiden anderen Verfahren. Das ist ein Vorteil (höhere Erfolgsquote). Ein weiterer besteht darin, dass man sehr viel weniger Anwendungen und damit Zeit benötigt (sanftere, schonendere und kürzere Therapie). Man nennt diese Art des Vorgehens auch balanciert („balanced neuromodulation“): ein neuer, erfolgversprechender, schneller Weg zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Traumafolgestörungen.

Balanced Therapy: ©fotogestoeber – stock.adobe.com

 

Ketamin

Ketamin zog ein in die Behandlung verschiedener psychogener Erkrankungen, zunächst der Depression [7-9], dann aber bei einem breiten Spektrum weiterer Erkrankungen: Angst, Zwangserkrankungen, chronische Schmerzen, Suchterkrankungen und posttraumatische Belastungs­störungen. Geradezu sensationell und verbunden mit enormer Bedeutung für die Medizin war die Entdeckung, dass bereits eine einmalige Infusion von niedrigen Dosierungen Ketamin eine Symptomreduktion bei dieser chronischen und schwer beeinträchtigenden Erkrankung der posttraumatischen Belastungs­störung zu bewirken vermag. Dabei besserten sich sowohl die depressiven Symptome als auch die allgemeine Lebensqualität [10]. Ausführliches dazu unter www.ketaminpro.de.

Präzis gesteuerte Infusion von Ketamin: ©Ekaterina – stock.adobe.com

 

Warum aber wirkt Ketamin bei der posttraumatischen Belastungsstörung?

Hintergrund ist, dass der (exzitatorische) Neurotransmitter Glutamat eine wichtige Rolle spielt in der Verarbeitung von Stress, der Speicherung traumatischer Erinnerungen und in der Pathophysiologie der posttraumatischen Belastungsstörung [11, 12]. Ketamin ist biochemisch betrachtet ein Antagonist für den Glutamat-NMDA-Rezeptor, d.h. Ketamin besetzt den Rezeptor, sodass das Glutamat nicht mehr daran binden kann.

Was macht es so attraktiv, bei PTBS mit Ketamin zu arbeiten?

Idealerweise wird Ketamin von einem Anästhesisten verabreicht, der auch sein übliches Instrumentarium und Monitoring dafür einsetzt, dass die Wirkung schnell und dabei sanft eintritt, der Patient sich gut aufgehoben und tief entspannt fühlt, weder Abhängigkeit noch unangenehme Nebenwirkungen zu erwarten sind. Deshalb wird es nicht nur bei all den erwähnten Erkrankungen eingesetzt, sondern auch in der psychedelischen (ketamin-assistierten) Psychotherapie.

Entwicklung von Ketamin zur Anti-PTBS-Droge

Während des Irak-Krieges setzten amerikanische Militärärzte niedrigdosiertes Ketamin perioperativ bei Verbrennungsopfern ein und fanden eine signifikant geminderte Rate an Traumafolgestörungen [13]. Auch in der Behandlung von Veteranen  mit PTBS konnte Heilung erzielt werden durch die Kombination von intravenösem Ketamin und Propofol [14]. Schließlich fanden sich auch bei chronischen Patienten mit ausgeprägter PTSB-Symptomatik sehr gute Behandlungserfolge, beginnend nach der ersten Infusion [10].

Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) [1, 5, 15-17]

 

©Nikolay – stock.adobe.com

Bei der transkraniellen Gleichstromstimulation werden sehr feine  Ströme eingesetzt, um eine gesunde elektrische Verbindung zwischen Hirnzentren wiederherzustellen, genauer gesagt: um dysfunktionale Regelkreise wiederherzustellen [18]. Zur Anwendung kommen tägliche 30-minütige bilaterale Gleichstromstimulationen, anodal DLPFC links und Referenz über DLPFC rechts [5], basierend auf der Kenntnis dysfunktionaler zentralnervöser Regelkreise.

Repetitive transkranielle elektromagnetische Gehirnstimulation (rTMS) [1, 19-26]

rTMS ist eine weltweit verbreitete und bei verschiedenen psychogenen Erkrankungen bewährte und beliebte Therapieform geworden, die Einzug gefunden hat in die Therapieempfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften und Handlungsleitlinien der Ärzte. Vor allem die patientenfreundliche, sanfte und berührungslose Anwendung hat zu einer exponentiell wachsenden Verbreitung geführt.

Elektromagnetische Felder, appliziert über sogenannte Magnetspulen, erhöhen oder vermindern elektrische Aktivitäten in den anvisierten Hirnarealen und ermöglichen eine optimierte Kommunikation der im Netzwerk miteinander verbundenen Hirnzentren („neuronales Netzwerk“). So lassen sich überaktive Angstzentren dämpfen, Negativität-kontrollierende Zentren aktivieren (bei der Depression), zirkulierende Suchtschleifen bei Suchterkrankungen „leise“ schalten. Die Patienten merken von alledem allenfalls ein leichtes Klopfen an der Kopfhaut und hören leise „Klicks“, die vom Öffnen und Schließen der Magnete kommen. Viele kennen das von MRT-Untersuchungen beim Radiologen. Diese Stimulationssitzungen, jeweils 30 min dauernd, werden an zehn aufeinanderfolgenden Tagen wiederholt.

©rumruay – stock.adobe.com

 

Workflow unserer PTBS-Behandlung

Sie möchten wissen, wie so eine Behandlung abläuft? Dann öffnen Sie bitte diese PDF:

Workflow NM bei PTBS [PDF, 187 kB]

Ziele unserer Behandlung

Schnelle Hilfe, gute Betreuung, intensive Therapie, Nachhaltigkeit mit Besserung der PTBS-Symptome, Besserung von Angst und Depression, verbesserte soziale Funktionsfähigkeit, bessere Beziehungsgestaltung, gute Lebensqualität, weitgehende Unabhängigkeit von Medikamenten und Therapeuten, Selbstbestimmtheit.

©Drobot Dean – stock.adobe.com

 

 

  1. Gouveia, F.V., et al., Treating post-traumatic stress disorder with neuromodulation therapies: transcranial magnetic stimulation, transcranial direct current stimulation, and deep brain stimulation. Neurotherapeutics, 2020. 17: p. 1747-1756.
  2. Jeffreys, M., B. Capehart, and M.J. Friedman, Pharmacotherapy for posttraumatic stress disorder: review with clinical applications. Journal of Rehabilitation Research & Development, 2012. 49(5).
  3. Ravindran, L.N. and M.B. Stein, Pharmacotherapy of PTSD: premises, principles, and priorities. Brain research, 2009. 1293: p. 24-39.
  4. Grasser, L.R. and A. Javanbakht, Treatments of posttraumatic stress disorder in civilian populations. Current psychiatry reports, 2019. 21(2): p. 11.
  5. Koek, R.J., et al., Neuromodulatory treatments for post-traumatic stress disorder (PTSD). Progress in Neuro-Psychopharmacology and Biological Psychiatry, 2019. 92: p. 148-160.
  6. Gouveia, F.V., et al., Neuromodulation strategies in post-traumatic stress disorder: from preclinical models to clinical applications. Brain sciences, 2019. 9(2): p. 45.
  7. Zarate, C.A., et al., A randomized trial of an N-methyl-D-aspartate antagonist in treatment-resistant major depression. Archives of general psychiatry, 2006. 63(8): p. 856-864.
  8. Al Jurdi, R.K. and S.J. Mathew, Ketamine for treatment-resistant unipolar depression: current evidence. Psychiatric Times, 2014. 31(9): p. 23-23.
  9. Murrough, J.W., et al., Antidepressant efficacy of ketamine in treatment-resistant major depression: a two-site randomized controlled trial. American Journal of Psychiatry, 2013. 170(10): p. 1134-1142.
  10. Feder, A., et al., Efficacy of intravenous ketamine for treatment of chronic posttraumatic stress disorder: a randomized clinical trial. JAMA psychiatry, 2014. 71(6): p. 681-688.
  11. Bermudo-Soriano, C.R., et al., New perspectives in glutamate and anxiety. Pharmacology Biochemistry and Behavior, 2012. 100(4): p. 752-774.
  12. Nair, J. and S.S. Ajit, The role of the glutamatergic system in posttraumatic stress disorder. CNS spectrums, 2008. 13(7): p. 585-591.
  13. McGhee, L.L., et al., The correlation between ketamine and posttraumatic stress disorder in burned service members. Journal of Trauma and Acute Care Surgery, 2008. 64(2): p. S195-S199.
  14. D’Andrea, D. and R.A. Sewell, Transient resolution of treatment-resistant posttraumatic stress disorder following ketamine infusion. Biological Psychiatry, 2013. 74(9): p. e13-e14.
  15. Ahmadizadeh, M.J., M. Rezaei, and P.B. Fitzgerald, Transcranial direct current stimulation (tDCS) for post-traumatic stress disorder (PTSD): A randomized, double-blinded, controlled trial. Brain Research Bulletin, 2019. 153: p. 273-278.
  16. Hampstead, B.M., et al., Current status of transcranial direct current stimulation in posttraumatic stress and other anxiety disorders. Current behavioral neuroscience reports, 2016. 3(2): p. 95-101.
  17. van’t Wout-Frank, M., et al., Combined transcranial direct current stimulation with virtual reality exposure for posttraumatic stress disorder: feasibility and pilot results. Brain stimulation, 2019. 12(1): p. 41-43.
  18. Saunders, N., et al., Working memory training with tDCS improves behavioral and neurophysiological symptoms in pilot group with post-traumatic stress disorder (PTSD) and with poor working memory. Neurocase, 2015. 21(3): p. 271-278.
  19. Health, O.O.C.A.f.D.a.T.i., Transcranial Magnetic Stimulation for the Treatment of Adults with PTSD, GAD, or Depression – A Review of Clinical Effectiveness and Guideline. 2014.
  20. Berlim, M.T. and F. Van Den Eynde, Repetitive transcranial magnetic stimulation over the dorsolateral prefrontal cortex for treating posttraumatic stress disorder: an exploratory meta-analysis of randomized, double-blind and sham-controlled trials. Can J Psychiatry, 2014. 59(9): p. 487-96.
  21. Aleman, A., Use of Repetitive Transcranial Magnetic Stimulation for Treatment in Psychiatry. Clin Psychopharmacol Neurosci, 2013. 11(2): p. 53-59.
  22. Nam, D.H., C.U. Pae, and J.H. Chae, Low-frequency, Repetitive Transcranial Magnetic Stimulation for the Treatment of Patients with Posttraumatic Stress Disorder: a Double-blind, Sham-controlled Study. Clin Psychopharmacol Neurosci, 2013. 11(2): p. 96-102.
  23. Philip, N.S., et al., 5-Hz Transcranial Magnetic Stimulation for Comorbid Posttraumatic Stress Disorder and Major Depression. J Trauma Stress, 2016.
  24. Oznur, T., et al., Is transcranial magnetic stimulation effective in treatment-resistant combat related posttraumatic stress disorder? Neurosciences (Riyadh), 2014. 19(1): p. 29-32.
  25. Boggio, P.S., et al., Noninvasive brain stimulation with high-frequency and low-intensity repetitive transcranial magnetic stimulation treatment for posttraumatic stress disorder. The Journal of clinical psychiatry, 2010. 71(8): p. 12852.
  26. Cohen, H., et al., Repetitive transcranial magnetic stimulation of the right dorsolateral prefrontal cortex in posttraumatic stress disorder: a double-blind, placebo-controlled study. American Journal of Psychiatry, 2004. 161(3): p. 515-524.

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